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Medizinische Ahmadiyya Muslim Organisation
Waqf-e-Arzi in Qadian

Waqf-e-Arzi in Qadian

Unser lang gehegter Traum von einem Waqf-e-Arzi in Qadian konnte, Alhamdolillah, vom 22. Dezember 2017 bis zum 01. Januar 2018 erfüllt werden. Zu Beginn hatte die MAMO-Lajna geplant, dass neun Lajna die Reise antreten würden. Jedoch konnten nur drei von uns die Reise antreten, da nur drei von uns zur passenden Zeit ein Visum erhielten. Ich erinnere mich, wie wir alle sehnsüchtig, jeden Tag, einen Anruf von der Botschaft erwarteten, damit wir unsere Reise beginnen konnten. Ich erinnere mich dann auch an den freudeerfüllten Anruf von Nadia, die am selben Tag ihr Visum erhielt. Wie sie außer sich war und sich vor Freude nicht bremsen konnte. Ich erinnere mich an Ramla, die trotz verspäteter Zusage kurzfristig in den Flieger stieg, um zu uns zu gelangen. Ich erinnere mich an meinen Vater, der zu unserem Schutz mitfuhr und sorgfältig darauf achtetet, dass wir gesund und wohlbehalten dort ankamen und dann von dort auch wieder zurückgekommen sind. Ich erinnere mich an den Moment, wo ich mit meinem Vater in den Zug stieg, ohne einen Fahrschein, und wir trotz allem zum Flughafen gelangten, ohne weitere Probleme. Es war in jeder Hinsicht vom Anfang bis zum Ende eine einmalige und segensreiche Reise. Eine Reise, gezeichnet von innerer und äußerer Entwicklung.

Nach einem Flug von acht Stunden wurden wir mit einem Taxi von Delhi aus nach Qadian gefahren. Diese Taxifahrt betrug wiederum neun Stunden. Obwohl die Fahrt neun Stunden dauerte und wir bereits etliche Stunden unterwegs gewesen waren aus unterschiedlichen Ecken Deutschlands, fühlte es sich an wie ein paar Minuten. Wir waren beeindruckt von unserer Umgebung und von allen ungewohnten Farben, Düften, Fahrzeugen und Menschenmengen. Indien ist definitiv ein Land voller Vielfalt. Zur Nacht kamen wir in Qadian an. Es war kaum merklich, dass wir uns dieser heiligen Stadt genährt hatten, denn ein Schild gab es nicht.

Von weitem erblickten wir das Minaratul-Massih. Die Gefühle und Emotionen, die uns überkamen, lassen sich nicht beschreiben. Ein Blick in den schwarzen Himmel und das edle, weiße Minarett, mit welchem wir seit Anbeginn unseres Lebens aufwachsen, aber es noch nie gesehen hatten. Wir wohnten im Guest-House von und für Deutschland. Es war der Beginn der Zeit, wo die Gäste für die Jalsa begannen anzureisen. Dennoch ließ man es uns in keinsterweise an irgendetwas mangeln. Um jeder unserer Belange wurde sich voll und ganz gekümmert. Ich erinnere mich an eine „chipkali“ in unserem Zimmer, welche durch Murabbi Sahib und vier anderen Männern „hinausgetragen“ wurde, da wir uns aufgrund ihrer Existenz so erschrocken hatten, sehr zur Belustigung der Menschen. Letztendlich stellte sich noch heraus, dass sie bereits tot war.

Im Noor-Hospital, wo wir unser Waqf absolvieren sollten, wurde uns gesagt, dass wir seit 25 Jahren, die ersten Ausländer waren, die zum Waqf gekommen waren. Alle anderen kommen auch, jedoch helfen sie dort für die Jalsa aus und gehen nicht ins Noor-Hospital. Das Noor-Hospital feierte zu der Zeit sein 100.-jähriges Jubiläum. Es ist ein imposantes Gebäude. Im Inneren gibt es 2 Operationssäle und Räume für Notfälle und ebenso Räume, wo an die 3 Ärzte gleichzeitig eine Sprechstunde abhalten können. Es gibt eine Dialyse und eine Physiotherapie. Darüber hinaus gibt es eine krankenhauseigene Apotheke. Alles in allem eigentlich Grundlage einer guten medizinischen Versorgung. Jedoch ließ sich auch bald erkennen, dass sich unsere Vorstellung von der Medizin und die vorherrschende Vorstellung etwas unterscheiden. Da wo wir in Deutschland teilweise 24- Stunden-Dienste haben, da war man erstaunt, dass wir einem vier Stunden Dienst zustimmten. Auch ließ sich bald erkennen, dass man dringend Fächer wie die Chirurgie, Gynäkologie und Innere benötigte. Auch wurde mir sehr bald klar, dass man als Ärztin am besten ein „Allroundtalent“ sein musste. Nadia, Ramla und ich, wir gaben unser Bestes, um den Patienten so gut wie möglich zu helfen. Wir wünschten uns nicht nur an einem Punkt, sondern an mehreren, länger bleiben zu können, damit wir einigen Menschen zumindest den richtigen Weg zur Behandlung hätten bahnen können.

Viele Geschichten dieser Menschen, insbesondere der Frauen blieben mir im Kopf. Eine Frau, die sich ihr Schlüsselbein gebrochen hatte vor Jahren und es nicht behandeln ließ. Ein junger Herr, der Tilawat machen sollte auf Jalsa und dessen Stimme versagte. Eine junge Frau mit einer Gehstörung, die ich auf einen Neurologen verweisen musste, die schon eine lange Odyssee hinter sich gebracht hatte, eine Frau mit vorzeitigen Wehen, ein Mann, der vom Motorrad fiel und sich sein Arm brach. Außerdem viele, viele Menschen, die uns gegenüber einfach so ihre Dankbarkeit ausdrückten, obwohl wir beschämt darüber waren, dass wir nicht mehr tun konnten. All diese Erfahrungen ließen uns demütig zurück.

Wir hatten unseren Tag aufgeteilt und waren für vier Stunden im Noor-Hospital, den Rest des Tages sahen wir uns Qadian an. Jeden Tag besuchten wir das Bahishti Maqbara und beteten und jeden Tag war es eine andere und neue Erfahrung. Wir wandelten jeden Tag durch die Gassen des Verheißenen Messias (as) und sahen uns sein Haus an. Wir sahen uns etliche Male das Minarat-ul-Massih an. Wir waren so gut wie jeden Tag in der Aqsa Moschee und in der Mubarak Moschee. Alhamdolillah schafften wir es trotz vieler Jalsagäste zu Bait-ud-Dua und konnten dort beten.

Wir lernten unheimlich viele Menschen kennen. Auch sprachen wir mit der nationalen Sadar Sahiba Indiens und waren zum Essen eingeladen bei Sadar Anjuman. Wir fuhren in pinken Rikschas und kauften Souvenirs aus Qadian und waren über die Freundlichkeit und die Einfachheit der Menschen erstaunt und glücklich zugleich. Wie konnten wir, die wir im mega Luxus Leben überhaupt unglücklich sein und wie konnten diese Menschen in ihrem Leben, das sehr wenig Luxus und Annehmlichkeiten vorzuweisen hatte, ein derartig glückliches Leben führen?

In Qadian wurde mir bewusst, was Toleranz bedeutet. Muslime, Christen, Sikhs, Hindus und alle anderen leben in Frieden zusammen. Jeder Morgen bringt zum Fajar Gebet Gebete aller Religionsrichtungen mit sich. Alle nutzen einen Lautsprecher. Ob es dann ein Bhajjan ist und unser Azaan, alles wird toleriert. Man lebt miteinander und man lebt in Frieden.

Den Gedanken, der eines Tages in mir aufblühte, als ich durch das Bahishti Maqbara ging und durch das Haus des Verheißenen Messias (as) wandelte, und den Geburtsraum seiner Kinder betrat, war der, dass die Muslime nun eine neue Geschichte schreiben können, die mit Liebe und Frieden und Toleranz begonnen und weitergeführt werden wird. Eine Geschichte, die neue Ideen und neue Reichtümer mit sich bringen wird. Eine Geschichte, deren Teil wir bereits sind. Alhamdolillah.

Mein großer Dank gilt Nadia, Ramla und meinem Vater!