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Medizinische Ahmadiyya Muslim Organisation
„Als Forscher ist man gut beraten (…) ständig zu fragen, ob man auch wirklich den Anforderungen genügt“

„Als Forscher ist man gut beraten (…) ständig zu fragen, ob man auch wirklich den Anforderungen genügt“

Professor Christiane Nüsslein-Volhard hat als erste deutsche Frau einen Nobelpreis erhalten. Das war 1995. Im Interview erzählt die studierte Biologin und Biochemikerin über ihre Karriere in der Forschung und wie sie muslimische Forscherinnen findet.

MAMO der Frauen: Professor Christiane Nüsslein-Volhard Sie sind die erste Frau in Deutschland, die den Nobelpreis gewonnen hat. Mich interessiert, wie das so war für Sie, vor allem als Frau in der Wissenschaft?

Prof. Nüsslein-Volhard: Wie war das… Aufregend!

MAMO der Frauen: Aufregend! Und mussten Sie sich durchsetzen?

Prof. Nüsslein-Volhard: Früher, ja sicher. Wenn man erster ist oder einziger, dann ist es immer mühsam. (…) Es gibt keine Community, man ist einsam und man muss eben selber sich beweisen und das war schon zum Teil mühsam. Aber vielleicht darf man manchmal nicht so viel dran denken, finde ich und man muss einfach seinen Job machen.

MAMO der Frauen: Und haben Sie sich das so fest vorgenommen, ich will den Nobelpreis gewinnen?

Prof. Nüsslein-Volhard: Ach wo, Ich wollte ganz früh schon Forscherin werden, das war mir sehr klar und wenn man das werden will und als Kind wird man natürlich auch oft so gefragt: „Na du willst wohl den Nobelpreis kriegen“ aber das geht glaube ich fast allen Kinder so, die sich dann für Naturwissenschaft interessieren und dann sagen sie schnell, die Verwandten mal „ach du kriegst wohl den Nobelpreis“. Aber an sich war das klar, dass es eine riesen Ausnahme ist und da hat man einfach auch bisschen Glück und ob das alles klappt.

MAMO der Frauen: Ich kann das nicht so recht einschätzen, meine kulturellen Hintergründe sind ja anders als Ihre zum Beispiel, aber damals als Frau war das sicherlich auch was ganz anderes als wenn wir heute jetzt in der Wissenschaft in Deutschland starten würden.

Prof. Nüsslein-Volhard: Eigentlich war es nicht so anders, man konnte in der Schule gut sein, das war ich auch, nein ich war nicht gut, aber gut genug und wir haben eine gute Schule gehabt, dann konnte man ohne weiteres auf die Universität gehen, das war gar kein Problem und dann konnte man natürlich auch sein Studium durchziehen und sein Diplom machen und sein Doktor machen, dass war eigentlich völlig klar. Wo es dann wirklich bisschen schwieriger war, ist dann später (…), man ist dann halt sehr häufig an Leute geraten, die große Vorurteile hatten und die einem nichts zugetraut haben. Und das war eigentlich sehr hinderlich, dass man dauernd das Gefühl hatte, sich beweisen zu müssen, weil die sagten „Was als Frau wollen sie das machen“ und dann sagt man „Joa, warum denn nicht?“ Dann ging es aber auch, ich glaube im Studium hatte ich keine Probleme und mit dem Examen und auch mit der Doktorarbeit hatte ich auch keine Probleme. Und dann ging es eigentlich auch, aber wissen Sie, dass ist ein harter Job, dass ist ein Job, wo auch Männer Probleme haben ihre Karriere zu machen und da ist man eigentlich nicht sehr anders dran, also es war damals natürlich nicht so, dass die Leute (…) nach Frauen gesucht haben und versucht haben die Frauenquote zu verbessern, sondern die haben eigentlich sich darum überhaupt nicht gekümmert und die haben vielleicht eher Vorurteile gehabt und dachten „Ach naja, das ist eine Frau und ob das was wird und die kriegt ein Kind“ oder so. Aber ich habe eigentlich, wenn man es betrachtet eine ganz normale Laufbahn, ich habe sehr viel gearbeitet, ich war sehr gut, ich habe mir selber damals die Frage gestellt „kann ich das? Bin ich gut genug“ und habe mich sehr angestrengt und habe natürlich auch bald gemerkt, dass ich besser war als andere und dass ich durchaus Talent habe, aber trotzdem als Forscher ist man gut beraten  (…) ständig zu fragen, ob man auch wirklich den Anforderungen genügt und das habe ich auch getan und das war schon auch eine Herausforderung und eine Belastung.

MAMO der Frauen: Was macht so einen klugen Kopf aus, wie ist man kreativ, wie kommt die zündende Idee?

Prof. Nüsslein-Volhard: „Wie kommt die zündende Idee“? Man Interessiert sich für etwas, man interessiert sich brennend für etwas, man möchte wirklich gerne was verstehen und dann geht das doch eigentlich im Kopf rum. Und dann kommen auch manchmal Ideen und dann probiert man die aus und das ist ein bisschen Talentfrage auch, ob man dazu talentiert ist, ob man begabt ist für diesen Beruf. „Ich war das, ich bin das“, ich bin sehr interessiert an biologischen Fragen. Ich merke das oft, dass wenn man Studenten beurteilen möchte, dann muss man eigentlich danach Fragen, ob sie sich wirklich sehr, sehr für diese Sache interessieren, wenn sie das nicht tun, sondern eigentlich mehr so als Job betrachten, den man eben auch haben kann, dann sind sie nicht gut aufgehoben in der Forschung. Dann können sie natürlich auch andere Jobs machen, aber dann wären sie vielleicht besser Ärzte oder Lehrer oder sowas, aber in der Forschung muss man natürlich sehr stark interessiert sein.

MAMO der Frauen: Sie setzen sich ja auch für Frauen ein, vor allem habe ich in der FRZ einen Artikel über Sie gelesen, dass Sie Frauen dabei unterstützen würden, wenn sie Hilfe bei der Kinderbetreuung und solche Dinge brauchen. Aber dass Sie trotzdem auch gegen eine Frauenquote sind, habe ich das richtig verstanden?

Prof. Nüsslein-Volhard: Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Also, ich finde es unwürdig, wenn man einfach dauernd die Leute in einem solchen Beruf danach beurteilt, ob sie Frau oder Mann sind. Das ist eine nicht wissenschaftliche Qualifikation, die nichts mit dem eigentlichen Beruf zu tun hat. Das ist in anderen Berufen auch so, sie wollen als Ärztin beurteilt werden und nicht als Frau. Sie wollen nicht, dass man eine Extra-Rubrik aufmacht für weibliche Ärzte und für männliche Ärzte. In der Olympiade muss man das machen, weil die körperlichen Fähigkeiten von Frauen und Männer unterschiedlich sind, aber sonst in den geistigen Fächern möchte man es eigentlich nicht haben, (…) da es wohl keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern gibt, was die geistigen Qualitäten angeht, Intelligenz und Tatkraft und so Sachen und Einfallsreichtum oder Originalität oder Kreativität oder sowas. Da denke ich nicht, dass es da große Unterschiede gibt und deswegen muss man auch nicht oder sollte man das als Qualifikationskriterium nicht benutzen.

MAMO der Frauen: Mich als islamische Frau interessiert natürlich die islamische Frau. Vor allem ist es ja ein großes gesellschaftliches Thema und als islamische Frau kann man ja das Gefühl kriegen, dass man unter Druck gerät von außen aber auch von innen. Würden Sie denn islamischen Frauen raten in die Wissenschaft zu gehen?

Prof. Nüsslein-Volhard: Ich halte die Wissenschaft nicht kompatibel mit einem religiösen Bekenntnis. Ich würde sagen, auch wenn Sie sagen als islamische Frau. Es ist völlig einerlei, welchen Glauben sie haben. Wenn sie diesen Beruf machen und sie sollten eigentlich meiner Ansicht nach gar nicht noch zusätzlich zu der Frau-Sein auch noch den Islam als Kriterium mitbringen (…). Sie sollten eigentlich sagen, ich bin Arzt oder Ärztin, das ist egal, aber es ist wirklich eigentlich egal und ich will beurteilt werden danach wie gut ich als Ärztin bin. Was sie religiös,was ihr Glaubensbekenntnis ist, das ist für einen Beruf vollkommen einerlei. Meiner Ansicht nach und sie sollten das auch eigentlich nicht sozusagen vor sich hertragen. Und ich muss sagen, ich kann eigentlich nicht eine tiefe Religiosität mit einem Beruf der Wissenschaft verbinden. Weil, die Welt ist nicht von Allah geschaffen. Ich meine, ich weiß nicht, ob sie das glauben…

MAMO der Frauen: Doch… Ja.

Prof. Nüsslein-Volhard: Ja, dann sind sie in der Wissenschaft eigentlich nicht gut aufgehoben.

 

Das Interview führte Maliha Malik. Hier geht es zu Teil 2 des Interviews.